| "Schon die Ankündigung, sich mit der 'politischen Ökonomie des Kosovokrieges' zu beschäftigen, hebt sich positiv von der die Proteste prägenden Klage über die Völkerrechts- und Grundgesetzwidrigkeit des Bundeswehreinsatzes ab, die auch die Argumentation der PDS bestimmte. Wenn Wolf vom 'Kosovokrieg' spricht, meint er den Krieg der Nato gegen Jugoslawien, der schließlich zur Eroberung der serbischen Provinz und zur Errichtung einer Protektoratsherrschaft führte. Er behandelt nur am Rande den Bürgerkrieg zwischen der separatistischen UCK und Truppen der jugoslawischen Zentralgewalt., der den Bombardements vorausging und durch diese intensiviert wurde. Die Ereignisse auf dem Balkan erscheinen lediglich als Auslöser, der die Militärmaschine der Nato in Gang setzte. Als treibende Kraft macht Winfried Wolf hingegen die Militärisch-Industriellen Komplexe der Nato-Staaten, insbesondere der USA aus. Er ergreift für keine der kriegführenden Seiten Partei, sowohl was den Bürgerkrieg, als auch was den Interventionskrieg angeht, konzentriert sich allerdings notwendigerweise auf die Analyse der Nato. Die jugoslawische Regierung hatte im Gegensatz zum westlichen Militärbündnis kein Interesse an einer militärischen Konfrontation und zeigte sich dementsprechend, beispielsweise mit der Genehmigung der Stationierung von OSZE Beobachtern im Herbst 1998, kompromissbereit. Gezielt auf eine Militärintervention der Nato hingearbeitet haben dagegen die albanischen Separatisten, die zu dem Schluß gekommen waren, daß sie einen von ihnen beherrschten Kleinstaat nur mittels Krieg und diesen Krieg nur mit Hilfe der Nato gewinnen konnten. Aber auch die UCK taucht ebensowenig wie serbische Profiteure des Krieges im Kapitel 'Kriegsgewinnler unterschiedlicher Art' auf. Der Kosovo selbst hatte für die Nato, so Wolf, die Bedeutung eines 'Showrooms' zur Demonstration ihrer Militärmacht, insbesondere ihrer waffentechnischen Überlegenheit. Die ökonomische Dynamik des militärisch-industriellen Komplexes, die Rolle der Rüstungsindustrie und auch die Rivalitäten zwischen den imperialistischen Ländern, insbesondere zwischen den USA und der EU, werden von ihm ausführlich dargestellt- auch wenn mir der von ihm behauptete Zusammenhang zwischen dem Krieg und der, auch bald ein Jahr nach dem Krieg fortdauernden Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar, nicht klar geworden ist. So wichtig es ist, endlich auf die wirtschaftlichen Interessen in diesen Krieg hinzuweisen, problematisch ist die Tendenz, den Krieg allein ökonomisch erklären zu wollen. Exemplarisch für diese Schieflage in Wolfs Analyse ist folgendes Zitat: 'Wenn Rüstung und Kriege nicht dem volkswirtschaftlichen Nutzen dienen, dienen sie dann wenigstens den ‘höheren’, ‘vaterländischen’ Zielen? Das muß rundherum verneint werden. Tatsache ist, daß in allen Kriegen, die im ausgebildeten Kapitalismus geführt wurden, die ‘nationalen’ Rüstungskonzerne gegen die ‘nationalen’ Kriegsziele verstießen und Geschäfte gerade mit dem Kriegsgegner machten'. Das liest sich so, als würde Wolf diesen vermeintlichen Verrat bedauern, auch wenn er ein paar Zeilen später doch noch die Kurve kriegt und statt dessen die Arbeiterklasse dazu aufruft, sich an der 'Vaterlandslosigkeit' der Kapitalisten ein Vorbild ein Vorbild zu nehmen. Aber diese Wendung folgt eben nicht aus seiner Behauptung. Er übersieht hier einfach, daß nicht einzelne Rüstungsunternehmen Krieg führen, sondern der Staat um dessen Machtentfaltung es geht, wenn von 'höheren, vaterländischen Zielen' die Rede ist. Dafür haben gegebenenfalls auch die unmittelbaren Profitinteressen der Einzelkapitale zurückzutreten - der Staat kommt dabei nur seiner Rolle als ideeler Gesamtkapitalist nach. Der Verweis auf die Geschäfte der Rüstungsindustrie mit dem Kriegsgegner überzeugt nicht. Solche Geschäfte machen nur einen winzigen Bruchteil der Geschäfte aus, die die Waffenschmieden im Kriegsfall mit der eigenen Regierung abwickeln. Die Rüstungsindustriellen sind aber nicht nur Geschäftsleute, sondern auch politisch denkende, partriotische Staatsbürger und suchen im Rahmen der nationalen Kriegsziele, die von ihnen mitausgearbeitet werden, ihren ökomischen Vorteil. Beispielsweise dürfte der Nationalismus der Eigentümer der Firma Krupp im ersten Weltkrieg außer Frage stehen, auch wenn das Unternehmen nach (!) dem verlorenen Krieg von der britischen Firma Vickers Lizenzgebüren für Granatzünder kassierte, 'drei Pfund Sterling, für jeden im britischen Kampfabschnitt gefallenen Soldaten'(32) Warum hätte man aus der Perspektive des Unternehmens darauf verzichten sollen? Ein Sieg Deutschlands hätte freilich ganz andere Gewinne ermöglicht. 90 Prozent der Rüstungsaufträge kommen vom (eigenen) Staat, Winfried Wolf nenn das 'kapitalistisch-staatliche Planwirtschaft'. ... Politische Interessen, die gemeinsam von politischen Institutionen, Kapitalisten, und Militärs definiert werden, und Profitinteressen bedingen einander. Die Entscheidungen über Art und Umfang der Rüstungsproduktion sind aber vorrangig politische Entscheidungen. Erst mittelfirstig schlägt die Rüstungsproduktion gesamtwirtschaftlich negativ zu Buche - und dann werden zunächst die Sozialausgaben eingeschränkt, bevor es ans Eingemachte des staatlichen Gewaltapparats geht. Ebenso wie die Konzernen nicht nur im engen Sinne ökonomische Ziele verfolgen, sondern auch Politik machen, haben derart ausgedehnte bürokratische Apparate ihre ökonomischen Interessen und ihre Eigendynamik. Bezeichnend ist die von Interventionsbefürwortern gebetsmühlenartig vorgetragene Behauptung 'man müsse doch irgendetwas tun'. Das heißt natürlich nicht, daß sie persönlich irgendetwas tun müssten, sondern die deutsche Außenpolitik und die Bundeswehr - wozu werden sie schließlich bezahlt. Das Militär braucht, allein schon zur Besitzstandswahrung, unbedingt einen Feind. Bricht der alte Feind über Nacht überraschend zusammen, wie 1989/90 mit der Sowjetunion geschehen, muß man schnell für einen neuen sorgen. Und sei es, in dem man aus vielen kleinen Feinden (Noriega, Saddam Hussein, General Aidid, Karadzic, Milosevic usw.) einen ominösen 'Feind' macht, der überall und nirgends ist, und dem es als 'Risikoabwehr' und 'Krisenmanagment' entgegen zu treten gelte. Das Weltbild der Verteidigungspolitischen Richtlinien, ist ebenso ernst zu nehmen, wie das Bedürfnis der deutschen Nation, und hier sind nicht nur die herrschenden Eliten gemeint, nach einer 'normalen' Weltmachtrolle, trotz, oder seit diesem Krieg, gerade 'wegen Auschwitz'." Deutsche Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen Marburg | |